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Radel in peace

Verkehrsinfarkt. Kneipensterben. Volkstod. Im norddeutschen Oldenburg wird nicht anders abgenippelt als im Rest der Republik. Doch in der niedersächsischen Stadt können sich Verblichene jetzt per Bestattungsfahrrad das letzte Geleit geben lassen. TITANIC traf den Initiator des Body-Bikes, den selbsternannten "Kunsttechniker und Visionär" Michael Olsen, beim Leichenschmaus (Tote Oma) einer ehemaligen Kundin (tote Oma).

TITANIC: Herr Olsen, wie läuft Ihr Bestattungsrad?

Olsen: Es läuft nicht, es fährt.

TITANIC: Herrje, gut. Also, wie fährt Ihr Bestattungsrad? Ich nehme an, es läuft, oder?

Olsen: Geht so. Um über die Runden zu kommen, muss man sich in diesen schweren Zeiten natürlich ganz schön abstrampeln.

TITANIC: Mit Ihrem postmortalen Transportservice möchten Sie laut eigener Aussage die Themen Sterben und Tod wieder in die Öffentlichkeit und in die Normalität zurückholen.

Olsen: Der Mensch soll nach seinem Ableben nicht bloß als eine anonyme Nummer wahrgenommen werden, die auf dem Zettel an seinem großen Onkel baumelt. Vielmehr bemisst sich seine gesellschaftliche Relevanz auch über den Tod hinaus an einem ganz konkreten Wert. Immerhin erhöht jeder Leichnam, den ich durch Oldenburg kariole, statistisch die Zahl der Verkehrstoten für alle ersichtlich um sarge und schreibe eins.

TITANIC: Und wie sind die Reaktionen vor Ort?

Olsen: Mit meinem Leitspruch "Was dem Leichenkutscher früher der Zoss', ist dem Olsen heut' sein stählernes Ross" fahre ich hier ganz gut. Zwar gilt Oldenburg gemeinhin als Fahrradstadt. Aber wenn ich meine Fuhre wohlbehalten an allen rechts abbiegenden LKWs vorbei durch den morgendlichen Berufsverkehr gekurvt und an einem der hiesigen Friedhöfe abgeliefert habe, machen die Trauergäste und ich immer drei Kreuzzeichen. Wie heißt es bei den geschäftstüchtigen Oldenburger Bestattern doch so schön: Geradelt wird immer.

TITANIC: Von folgenschweren Unfällen sind Sie also bisher verschont geblieben?

Olsen: Klopf auf Holz! Zumal es mir und meinen Mitfahrern nicht zuzumuten ist, hier in Oldenburg auch noch tot überm Zaun zu hängen.

TITANIC: Trotz Ihrer künstlerischen Intention, das Sterben wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, ist der Tod allerdings auch bei Ihnen nicht umsonst.

Olsen: Im Gegensatz zu meinen Fahrgästen muss ich ja noch von irgendetwas leben. Gottlob ist es nicht so, dass das letzte Rad keine Satteltaschen hat.

TITANIC: Schlecht fürs Geschäft wäre ebenfalls – auch das unterscheidet Sie von Ihrer Kundschaft –, wenn Ihnen unterwegs auf dem Weg zur Beerdigung die Puste ausgehen würde.

Olsen: Würde, würde, Fahrradkette! Ich kann Ihnen sagen, so ein mit schwerem Samtbrokat ausgelegter Eichensarg in 35 Millimeter Wandstärke und Überbreite einschließlich einer dreifachen Platte mit Messingkreuz und Eisenbeschlägen plus Inhalt hat schon einiges an Gewicht. Schließlich gilt in unserer kapitalistischen Bestattungskultur nach wie vor die Maxime: Man zeigt gern, was man hatte.

TITANIC: Hihi, die Plätze auf Ihrem Vehikel möchten Sie trotzdem nur ungern tauschen, was?

Olsen: Ums Verrecken nicht!

TITANIC: Sie haben Ihr Bestattungsrad aus ausrangierten Postfahrrädern konstruiert. Mal ganz platt gefragt: Hat das rein technische Gründe oder steckt da eine tiefere Bedeutung hinter?

Olsen: Sowohl als auch. Zum einen kann ich unterwegs die Trauerkarten gleich mit austragen. Da fallen immer ein paar zusätzliche Euro für mich ab. Aber psst! Briefgeheimnis ... Zum anderen gefällt mir die Vorstellung, künftig montags frei zu machen und Privatleute nur noch an fünf statt sechs Wochentagen zuzustellen.

TITANIC: Herr Olsen, vielen Dank für das Gespräch! Haben Sie ganz persönlich noch einen letzten Wunsch für Ihre Zukunft?

Olsen: Ja, 'n Radler bitte! (lacht sich tot)

Daniel Sibbe

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Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt